"Musik ist, was du selbst erfahren hast". "Jazz ist, wenn du spielst, was du fühlst. Alle Jazzmusiker brin­gen mit Hilfe ihrer Instrumente zum Ausdruck, was für Menschen sie sind und was sie im Verlaufe des Ta­ges, am Abend zuvor und überhaupt während ihres ganzen Lebens an Erfahrungen gesammelt haben." "In einer Jazzband muss einer auf den anderen hören, und jeder muss mit dem anderen mitfühlen." "Es kommt darauf an, dass menschliche Empfindungen zwischen Musikern und Publikum hin- und herströmen." Diese Aussagen von Jazzmusikern verdeutlichen die Einflüsse der sozialen und biografischen Umstände der Entstehung des Jazz und seiner stilistischen Entwicklung. Dies gilt im Hinblick auf Komposition, insbesondere jedoch für die für den Jazz grundlegende Improvisation, in der Komponist und Interpret eine Einheit bilden.

In Amerika entstehen im 19. Jahrhundert aus einem Gemisch der afrikanischen und europäischen Kultur verschiedenartige Musikformen. Jede gesellschaftliche Gruppierung, Schwarze, Weiße, Kreolen, um hier nur drei Gruppierungen zu nennen, hatte ihre eigene Musik und ihre eigenen Orte der Musikaufführung. Die Schwarzen der gebildeten Mittelklasse hatten die Gelegenheit sich mit der europäischen Musikkultur zu beschäftigen. So entstand der Ragtime als ein Beispiel des Akkul­turationsprozesses (Vermischung und Angleichung von Kulturen) zwischen afrikanischer und europäischer Kultur. Der Ragtime wurde im Unterhaltungsmilieu verschiedener Städte der USA von schwarzen Musikern ge­spielt.

Die Musik: Ragtime ist komponierte, vorrangig pianistische Musik. Er ist in der Art der Klaviermusik des 19. Jahrhunderts komponiert (Marsch, Polka, Walzer), wird jedoch in der rhythmischen Auffassung der schwarzen Musiker gespielt. Die melodischen, tonalen, har­monischen und formalen Eigenschaften entstammen der europäischen Musiktradition, die rhythmischen Eigenschaften der afrikanischen Kultur. So spielt die linke Hand des Pianisten eher einen starr europäischen Marschrhythmus mit Betonung auf den Schlägen 1 und 3, während die rechte Hand eine stark synkopierte, also rhythmisch unregelmäßige Rhythmik in der Melodie spielt. Neben dem von Pianisten gespielten Ragtime bildeten sich auch Ragtimebands, bei deren Spiel die freiere Art der Musikauffassung der schwarzen Musiker noch deutlicher zum Ausdruck kommt.

Hörbeispiel (Scott Joplin: Palm Leaf Rag)

 

 

 

 

New Orleans war um 1900 ein wichtiger sozialer und musikalischer Brennpunkt. Die Bevölkerung bestand aus einem bunten Gemisch von Men­schen. Spanier, Franzosen, Emigranten aus vielen Ländern und Afroamerikaner, deren Vorfahren als Sklaven hierher verschleppt wurden, bildeten eine kulturelle Vielfalt. Aus der schwarzen Folk­lore, der schwarzen Musikauffassung und der weißen Musik der Marschkapellen entstand eine neue Form von Musik, der New-Orleans-Jazz (um 1900). Dieser wurde von den Schwar­zen zum Marschieren, Tanzen, bei Festen oder bei Begräbnissen gespielt. Auch im Stadtviertel Storyville, einem Vergnügungszentrum, wurde Musik in den Tanzhallen benötigt. In erster Linie aber war die Musik Ausdruck eines Lebensgefühls von der Geburt bis zum Tod und gehörte zum Leben und zur Atmosphäre der Stadt ("Die Stadt war voll von Musik, aus allen Türen der Kneipen war Musik zu hören, ebenso auf der Straße zu verschiedenen Anläs­sen."). Allerdings wurde diese Musik nicht nur in New Orleans selbst gespielt, sondern im ganzen Süden der USA.

Die Musik: New-Orleans-Jazz ist eng mit der Situation der schwarzen Musiker, in der er gespielt wurde, verbunden. Das jeweilige Ereignis, ob traurig oder fröhlich, bestimmt den Ausdruck. Der Rhythmus mit Betonung auf Schlag 1 und 3 ist noch deutlich orientiert an der Spielweise der Marschkapellen. Drei Instrumente, Trompete, Klarinette und Posaune, orientieren sich an der Melodie und improvisieren gemeinsam. Dazu kommt eine Rhythmusgruppe. Die Spielweise ist sehr individuell (Aufnahmen entstehen erst in den 20er Jahren).

Hörbeispiel (Kid Ory´s Creole Jazz Band: High Society)

 

 

 

 

Auch weiße Musiker versuchten den schwarzen Jazz aus New Orleans zu spielen. So entsteht im Laufe der Jahre der Dixieland-Jazz (ab 1910). In Musikeraussa­gen ist nun von den großen Häusern, von den bekannten Gruppen und Stars die Rede. "Alle Jungen spra­chen über Joe Oliver und seine Creole Jazzband. Da machte ich mich dann auf die Socken und ging zum Royal Garden. Der Laden war immer zum Bersten voll. Leute aus allen Gesellschaftsschichten fanden sich da ein: Ärzte, Juristen, Studenten, Leute von der Bühne, Musiker, Menschen aller Hautfarbe konnte man da finden." Jazz wird zur Show und zur fröhlichen Unterhaltung, der Starkult beginnt. Bands wie die Original Dixieland Jazzband feiern auch auf Tour etwa in Chicago große Erfolge. Die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg, die gegenüber den schwarzen Musikern wesentlich bessere Lage der weißen Musiker und die Funktion der Musik, dem Unterhaltungsbedürfnis gerecht zu werden, sind die Grundlagen für eine lebensfrohe Musik, die bis in unsere Zeit noch zu vielen heiteren Anlässen zu hören ist.

Die Musik: Aufnahmen des alten Jazz entstehen erst ab den 20er Jahren vor. Ein Vergleich des Dixieland mit dem älteren New-Orleans-Jazz ist nur anhand von Aufnahmen, die mit den für die Stile typischen Musikern in den 20er Jahren gemacht wurden, möglich. Im Dixieland kommt eher eine unbeschwerte Fröhlichkeit zum Ausdruck. Die Musik der weißen Jazzer ist geglätteter, die Tonbildung ist weniger ausdrucksstark (hot) und weniger individuell. Die Trompete orientiert sich an der Melodie, die Klarinette umspielt diese und die Posaune fügt sich mit markanten Phrasen ein. Dazu kommt die Rhythmusgruppe. Der Rhythmus ist beschwingter und betont nun die Schläge 2 und 4. Die Spielweise ist geschliffener und weniger eigenwillig.

Hörbeispiel (Stuttgarter Dixieland All Stars: Original Dixieland One Step)

 

 

 

 

Um 1920 wanderten viele New Orleans Musiker in den Norden. Dabei war die 1917 erfolgte Schließung des Vergnügungsviertels Storyville in New Orleans aufgrund einer Verordnung des Marineministeriums (New Orleans war Kriegshafen) weniger der Grund, vielmehr benötigte der Norden, der für die schwarze versklavte Bevölkerung schon immer für Freiheit stand und ein Wunschziel war, für die aufgrund des ersten Weltkriegs angeheizte Kriegsproduktion eine große Zahl an Arbeitskräften. Eine große Wanderung der Afroamerikaner setzte ein. Neben anderen Großstädten spielte Chicago eine wichtige Rolle. Chicago war Eisenbahnknotenpunkt und hatte eine der größten stahlverarbeitenden Industrien. Das Unterhaltungsbedürfnis aller Schichten war zu befriedigen. Chicago wurde zu einem Zentrum der Jazzszene mit einer Fülle von Arbeitsmöglichkeiten in Tanzhallen, Biergärten, Ballsälen, Hotels oder großen Theatern. Der Jazz aus New Orleans hat seine große Zeit, hier entstehen die Schallplattenaufnahmen. Jugendliche Absolventen der Austin High School, die sich für die schwarze und weiße Jazzmusik etwa der New Orleans Rhythm Kings oder King Olivers Creole Jazz Band begeisterten, orientierten sich als Musiker an dieser Musik. So entsteht der Chicago-Jazz (ab 1920). Die jungen Musiker aus der angloamerikanischen Bürgerschicht verstanden ihre Musik auch als Protest gegen die bürgerliche Umwelt und engagierten sich für die unterdrückte Minderheit. 

Die Musik: Die Musik ist nicht nur Nachahmung, sie verändert sich auch. Das für den alten Jazz charakteristische Zusammenspiel von Trompete, Klarinette und Posaune, die kollektiv improvisierten sich überlagernden melodischen Abläufe, weichen einer vorwiegend parallelen Melodieführung zweier Instrumente oder auch der solistischen Melodiegestaltung. Der Rhythmus treibt voran und eignet sich gut zum Tanzen. Das Solo einzelner Musiker gewinnt weiter an Bedeutung. Das Saxophon spielt ab diesem Jazzstil eine wichtige Rolle. Die Aufbruchstimmung, die in den 20er Jahren zu spüren ist, ist auch in dieser Musik nicht zu überhören.

Hörbeispiel (Bix Beiderbecke: There´s a Cradle in Caroline)

 

 

 

 

In New York hatten die bedeutendsten Orchester- und Theateragenturen ihren Stammsitz, die meisten Studios der großen Rundfunk- und Schallplattengesellschaften befanden sich dort und darüber hinaus verfügte New York über ein sehr intensives Nachtleben. So wurde Big Apple zum Zentrum des Jazz. In Harlem allerdings, wo der überwiegende Teil der schwarzen Bevölkerung wohnte, orientierten sich viele schwarze Musiker eher an den höher eingestuften Musikarten der europäischen Kultur. Jazz stand auf der untersten Stufe der Wertskala. Für die Weißen aus Downtown Manhatten hatten Clubs wie der Cotton Club eine starke Anziehungskraft, denn dort hörten sie eine ganz andere Musik, etwa die des Duke Ellington Orchesters. Die Weltwirtschaftskrise 1929 hatte zur Folge, dass viele Arbeitsmöglichkeiten der kleinen Jazzbands verloren gehen. Die Musiker schließen sich zu grö­ßeren Bands, den Big Bands, zusammen und sind gezwungen, sich den Wünschen und dem Geschmack eines größeren Publikums anzunähern. Der Swing (ab 1930), ist daher zum großen Teil sehr kommerzielle, an den Normen der weißen Kulturindustrie ausgerichtete Musik. Musik wird zur Ware und zum großen Geschäft. Dabei spielt zur Verbreitung Film und Rundfunk eine entscheidende Rolle. Die Bands spielen häufig Musik zum Tanzen in großen Ballsä­len, wobei die Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg eine gewisse Sicherheit verkörpert, die es den Menschen erlaubt, sich dem Tanzvergnügen hinzugeben. Neben dem sehr populären Swing, wie ihn Glenn Miller verkörpert, bestehen aber auch echte, individu­elle Bands, die dem Jazz verpflichtet sind, wie die Bands von Count Basie oder Duke Ellington.

Die Musik: Der Swing ist ausarrangierte Musik mit Einlagen herausragender Jazzmusiker. Die Musik verliert ihre Individualität und ihre Spontanität. Ihre swingende, gerade Rhythmik mit Betonung aller 4 Taktzeiten (four beat) ist eine ideale vorantreibende Tanzrhythmik und eignet sich bestens zum beschwingten Tanzen. Die Melodik ist zumindest zu Beginn der Stücke gut zum Mitsingen. Zwischen die auskomponierten Teile eines Swingstückes gibt es solistische Improvisationen. Die typische Besetzung ist die Big Band.

Hörbeispiel (Benny Goodman: Take the A Train)

 

 

 

 

Mit dem Eintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg bommt die Rüstungsindustrie und verbessert durch die Arbeitsmöglichkeiten auch die Situation der schwarzen Bevölkerung. Trotzdem gab es sehr große Unterschiede in den Verdienstmögkichkeiten zwischen Schwarzen und Weißen. Häufig wurden Schwarze gar nicht eingestellt, bestimmte Berufe wurden Weißen vorbehalten. Auch in der Armee wurden schwarze Soldaten diskrimininiert. Auf allen Gebieten wurde die schwarze Bevölkerung der USA benachteiligt und diskriminiert. Bebop (ab 1940) stellt eine Reaktion auf die Lebensbedingungen der schwarzen Bevölkerung und wohl auch eine Gegenreaktion junger schwarzer Musiker auf die starke Kommerzialisierung des Swings dar, der nur noch wenig Spielraum für individuellen Ausdruck insbesondere im Sinne der afroamerikanischen Kultur zuließ. Orte dieses Wandels sind die Lokale Minton´s Playhouse und Monroe`s Uptown House in Harlem, dem schwarzen Bezirk New Yorks. Die Musiker versuchten eine Musik zu machen, die ihren Empfindungen entsprach. Weiße konnten diese Musik nicht so leicht kopieren, da sie ja nicht ihrem Lebensgefühl entsprach "Bebop ist das Werk einer Anzahl schwarzer Musiker, die die Nase voll haben von dem, was sie aus kommerziellen Gründen zu spie­len genötigt sind - insofern bezeichnet er die beginnende Einsicht in die Entfremdung der schwarzen Musik, in ihre zu jener Zeit allseitige Abhängigkeit von den gesellschaftlichen Interessen und kulturellen Maßstä­ben der Weißen. Bebop ist Widerstand und Verweigerung gegenüber der Kolonialisierung der schwarzen Musik." Die Schwarzen besinnen sich auf ihre Wurzeln und zeigen deutlich ihr Selbstbewusstsein. Als weiterer Hintergrund für den Bebop muss auch die Zeit des Zweiten Weltkrieges und die psychischen Auswirkungen von Angst, Schrecken und aufgewühlter Emotionalität gesehen werden. Nach 1945 sind viele Menschen nach Abwurf der Atombomben fassungslos über das unverständliche Geschehen. Auch in den USA hatte die Nachkriegszeit einschneidende negative Auswirkungen auf die Lebenssituation der Menschen, wobei wiederun die schwarze Bevölkerung am meisten zu leiden hatte.

Die Musik: Im Bebop spiegelt sich das Aufbegehren der schwarzen Musiker und die Nervosität vor und während des 2. Weltkriegs wider. Die Melodie ist zerissen, die Rhythmik ist unruhig und unregelmäßig, die Harmonik zunehmend dissonant und die Harmoniefolgen komplex. Die Tonbildung auf den Blasinstrumenten ist oftmals äußerst expressiv.

Hörbeispiel (Dizzy Gillespie: Bebop)

 

 

 

 

Die Stimmungslage der Nachkriegszeit, einerseits Entspannung und die Verbesserung der Lebensumstände, andererseits eher ein resigniertes, verdrängendes Verarbeiten des Geschehenen, spießiges Verhalten in der Gegenwart und die zunehmende Wut der schwarzen Bevölkerung aufgrund der Rassendiskriminierung stellen die psychosoziale Grundlage zu Beginn der 50er Jahre dar. Während der Bebop in erster Linie schwarze Musik darstellt und weiterhin von schwarzen Musikern in New York gespielt wurde, entspricht der Cool Jazz (ab 1950) dem ästhetischen Ideal der Weißen. In der Mehrzahl weiße Musiker an der Westküste der USA reagieren auf den als hektisch und scharf empfundenen Bebop und versuchen die Möglichkeiten der "abendländi­schen Kunstmusik" in den Jazz einzubringen. Der Jazz verlagert sich in feine Lokale und große Konzertsäle. Selbst schwarze Musiker verleugnen ihre Kultur, sie sehen die Kultur ihrer Hautfarbe als Minderwertigkeit und betrach­ten die Orientierung an der europäischen Kultur als erstrebenswert.

 

Die Musik: Jazz wird teilweise "rationale Kunst" und verliert im Cool Jazz stark von seiner Spontanität und Expressivität. Im Vergleich zum schwarzen Bebop ist die Melodie linearer und zusammenhängender, die Rhythmik ist ausgeglichener und sparsam synkopiert und die Tonbildung verliert ihre expressive Schärfe. Die Blasinstrumente werden oft vibratolos mit kühlem Ausdruck gespielt. Die Musik ist jedoch keineswegs ohne Emotionen, vielmehr sind es einem bestimmten weißen ästhetischen Ideal angepasste Emotionen. Dieses Ideal zeigt sich in der Verwendung barocker Formen als Grundlage der Jazzstücke. Besonders deutlich wird diese Ausrichtung in der Musik des Modern Jazz Quartetts, das aus 4 schwarzen Musikern bestand und dessen Musik die Anpassung der schwarzen Musiker an die weißen ästhetischen Ideale zum Ausdruck bringt.

Hörbeispiel (Miles Davis: Round Midnight)

 

 

 

 

Im Hard Bop (ab 1955) versammeln sich schwarze Musiker aus den schwarzen Ghettos der Industriezentren des Nordostens in der New Yorker Jazzszene und greifen auf ihre Ausdrucksmittel und auf ihre Musiktradition, auf Worksongs, Blues und Gospel zurück. Die Musik der schwarzen Kirchen hat starken Einfluss. Hard Bop richtet sich gegen die akademisierte europäisch orientierte Musik des Cool Jazz und schafft Raum für größere Spontanität. Schwarze Musiker besinnen sich wieder auf ihre kulturelle Identität, auf ihre Wurzeln in der schwarzen Kirche, die lange Zeit mit der Bürgerrechtsbewegung mitmarschierte, und auf die weiterhin diskriminierenden Lebensbedingungen in den Südstaaten, und grenzen sich in gewisser Weise ab von den durch die Weißen vorgegebenen Werten. Hard Bop, insbesondere die Spielarten Funk und Soul, stiften Identität. Eine Protesthaltung, wie sie dann in den 60er Jahren aufbricht, wird spürbar. Der Kampf der schwarzen Bevölkerung um die Bürgerrechte beginnt sich zu organisieren und zeigt auch erste Erfolge, etwa in der Abschaffung der Rassentrennung in Schulen und Hochschulen oder in den Buslinien.

Die Musik: Der Hard Bop gewinnt wieder an Spontanität und Expressivität. Die Melodik ist zu Beginn und am Schluss des Stückes häufig eingängig, orientiert sich aber durchaus in den Improvisationen am Bebop. Die Rhythmik verwendet neben der swingenden Variante oftmals einen packenden Achtel-Beat (vom Schlagzeug durchgeschlagene Achtel-Notenwerte mit Akzentuierungen). Die Harmonik ist einfach im Ablauf und wenig dissonant.

Hörbeispiel (Art Blakey: Mounin´)

 

 

 

 

Die 60er Jahre in den USA sind geprägt durch eine Vielzahl von Ereignissen. John F. Kennedy bemüht sich zwar um einen Abbau der Rassendiskrimierung, stößt aber auf den Widerstand der Konservativen. Immer häufiger kommt es zu Unruhen mit Toten beim Versuch gleiche Rechte für die schwarze Bevölkerung durchzusetzen. Die Ermordung Kennedys wird von weißen Rassisten begrüßt. Der verstärkte Einsatz im Vietnamkrieg lässt die Kriegskosten steigen zu Lasten sozialer Ausgaben. Schwarze Repräsentanten der Bürgerrechtsbewegung werden ermordet. 1968 wird Martin Luther King, der für einen friedlichen Protest steht, ermordet. Der Vietnamkrieg wird mit brutalsten Mitteln geführt. Der größte Teil der amerikanischen Bevölkerung wendet sich gegen den Vietnamkrieg. Demonstrationen werden niedergeschlagen. Free Jazz (ab 1960) kann als kompromissloser zorniger Protest und als Herausbildungs eines neuen schwarzen Selbstwertgefühls gehört werden gehört werden. Die schwarzen Amerikaner begehren auf gegen die menschenverachtende Rassendiskriminierung, die schwarzen Musiker mit ihrer Musik. "Ich bin ein Schwarzer und bin ein Jazzmusiker, und ich fühle mich elend" (Coleman Hawkins). Free Jazz ist Widerstand, eine Absage an die musikalischen wie außermusikalischen Werte der Weißen. Er ist Bestandteil des Kampfes der Schwarzen um Freiheit auf politischem und ökonomischem Gebiet. Eng ver­bunden ist er mit der Black-Power Bewegung und mit dem Black Panther's Programm, das die Gleichbe­rechtigung der Schwarzen einfordert („Reißt das Ghetto nieder. Let my people go“, schreibt Archie Shepp).

Die Musik: Free Jazz steht im Gegensatz zur traditionellen europäischen Musik. Allerdings gibt es auch in Europa musikalische Ansätze in der Neuen Musik nach 1950, die dem Free Jazz ähnliche Gestaltungsmittel aufweisen. Die soziale Erfahrungswelt ist jedoch eine gänzlich andere. Free Jazz wird gemeinsam (kollektiv) improvisiert. Alle Musiker reagieren aufeinander. Die Melodik besteht eher aus Phrasen. Die Rhythmik verzichtet auf ein Taktschema. Die Klänge sind häufig extrem dissonant. Die Tonbildung der Instrumente ist experimentell, individuell und oftmals scharf expressiv. Die Musik wirkt oftmals wie ein Schrei.

Hörbeispiel (Ornette Coleman: Free Jazz)

 

 

 

 

Rock Jazz (ab 1970) vermischt Elemente des Jazz und Rock. Ein Grund dürfte sicherlich der Versuch sein, ein breites Publikum auch unter jüngeren Hörern zu errei­chen. Dies führt zum Teil zu einer kommerziellen Ausrichtung des Jazz.

Die Musik: Rockjazz verwendet jazztypische Blasinstrumente und rocktypische, elektrisch verstärkte Instrumente wie E-Gitarre, E-Bass oder elektronische Klangerzeuger wie den Synthesizer. Die Rhythmik ist rocktypisch am Achtel-Beat orientiert. Zu Beginn und am Schluss der Stücke werden prägnante melodische Motive gespielt, die improvisierten Abschnitte sind individuell unterschiedlich.

Hörbeispiel (United Jazz and Rock Ensemble: Gone With the Wind)

 

 

 

 

Jazz ab 1980 ist ein Beispiel für die Globalisierung und die sich bietenden Freiheiten auch auf musikalischem Gebiet, allerdings beschränkt nur auf Teile unserer Erde. Jazz ist so vielfältig, dass es hier nicht möglich ist, die Richtungen darzustellen. Grundlegend Neues, wie es die ersten 80 Jahre der Jazzgeschichte der Fall war, entsteht nicht mehr. Vielmehr zeigt sich in der Musik eine ungeheure Vielfalt an Einflüssen jeglicher Musikstile und eine Kombination und Mischung aller Jazzstile untereinander und mit anderen Musikstilen.

Einen Überblick über die Merkmale der Jazzstile finden wir auf der folgenden Seite. Die rot markierten Merkmale sind besonders charakteristisch für den jeweiligen Stil.

Merkmale der Jazzstile im Überblick