Der Begriff „Rockmusik“ wird hier verwendet für – zumindest in ihrer Entstehungszeit – Musik von Jugendlichen für Jugendliche. Wie bei allen Musikstilen wird auch Rockmusik zu jeder Zeit vermarktet und dem Kommerz unterworfen, wodurch sie ihren Biss meist verliert. Wer über Rockmusik sinnvoll reden will und Rockmusik verstehen will, sollte die einzelnen Stile in ihrem jeweiligen historischen und sozialen Umfeld sehen und hören, wie sich die Botschaften in den Stilen auch in den musikalischen Merkmalen, also in der Musik selbst, finden lassen.

In dieser Übersicht werden die grundlegenden Ausprägungen der Rockmusik aufgeführt. Es finden sich noch viele weitere Rockstile und entsprechend eine große Anzahl an Stilbegriffen. Musikalisch leiten sich diese Rockstile von den aufgeführten grundlegenden Stilen ab oder stellen eine Mischung von Stilen dar.

In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, die auch in den USA eine Zäsur darstellt, ist der Bedarf an Unterhaltung groß. Das Geschehene – etwa der Atombombenabwurf in Japan – und das Nachdenken weicht einem Blick in die Zukunft. Die Unterhaltungsindustrie bringt die großen Stars auf die Bühne. Frank Sinatra ist einer der Stars der bürgerlichen amerikanischen Unterhaltungsmusik.

Die Musik: Die amerikanische Unterhaltungsmusik der 50er Jahre präsentiert sich sehr brav, melodisch und mit dezenter, swingender Rhythmik. Sie spiegelt den Geschmack des bürgerlichen, überwiegend weißen Publikums wider.

(Aus urheberrechtlichen Gründen können für die folgenden Hörbeispiele nur kurze Ausschnitte bereitgestellt werden.)

Hörbeispiel (Frank Sinatra: On the Sunny Side of the Street)

 

 

 

  

Die Geschichte der Rockmusik beginnt in den 50er Jahren in den USA mit dem Rock 'n' Roll, einer am schwarzen Rhyth'm and Blues orientierten Musik, mit der sich weiße Jugendliche von den Erwach­senen, von deren Spießigkeit – dargestellt in den Filmen James Deans –, deren Lebensstil und deren Musik abzusetzen versuchen. Die Rock 'n' Roll-Welle erfasst auch Deutschland. Ein Sänger ist Peter Kraus, der bis in die letzten Jahre dem Rock ´n´ Roll Gehör verschaffte.

Die Musik: Der jugendliche Rock ´n´ Roll ist aufmüpfig, laut und mit zackiger, punktierter Rhythmik. Die Instrumente werden zunehmend verstärkt. Die Melodik besteht aus einprägsamen kurzen Motiven und lässt sich meist gut mitsingen.

Hörbeispiel (Bill Haley: Rock Around the Clock)

 

 

 

 

Während in den USA die Unterhaltungsmusik vom Jazz, insbesondere vom Swing geprägt ist, bestimmt in Deutschland und anderen europäischen Ländern die Schlagertradition die Unterhaltungsmusik der Erwachsenen.

Die Musik: Der Schlager hat eine leicht mitsingbare Melodik, die im Refrain besonders einprägsam ist. Der Sound enthält keine Schärfen, die Lautstärke ist dezent und auch die Rhythmik enthält keine störenden Impulse.

Hörbeispiel (Peggy March: Mit siebzehn hat man noch Träume)

 

 

 

 

Eine Parallele zum Rock 'n' Roll stellt zu Beginn der 60er Jahre der Beat in England und dann auch in ganz Europa dar, mit dem sich große Teile der Jugend identifizieren, sich von den Erwachsenen abgrenzen und die Erwachsenen damit schockieren. Als Hintergründe für die Entstehung des Beats müssen auch soziale Ursachen in Liverpool, näm­lich Arbeitslosigkeit, Wohnungsprobleme und damit verbundene Auswirkungen, gesehen werden. Beat ist zunächst auch ein Mittel, sich Gehör zu verschaffen und ein Ausgleich für anderweitige Er­folgserlebnisse.

Die Musik: Der Beat provoziert mit seiner betonten Achtel-Rhythmik und den durchgehend die Verstärker verwendenden Instrumenten, damit auch sehr lauten Dynamik. Die Melodik ist gesanglich und lässt sich gut mitsingen.

Hörbeispiel (Beatles: She Loves You)

 

 

 

 

Vergleicht man die Musik und die Texte des Rock 'n' Roll und des Beat mit der Musikkultur der breiten Masse, mit der amerikanischen Unterhaltungsmusik bzw. mit dem deutschen Schlager, so erweist sich die Rockmusik mitreißender und lebensfreudiger gegenüber der wehmütigen, sentimentalen Musik der Masse. Ebenso drückt sich in den Texten eine spontane, freie Lebensfreude aus, während die Texte Sinatras oder auch die deutscher Schlager melancholisch, rückwärtsgewandt, sehnsüchtig oder einfach süßlich kitschig sind.

Nachdem sich Jugendliche mit Rock 'n' Roll und Beat nun ihre Musik und damit eine spezifische Ausdruckmöglichkeit geschaffen hatten, ist die Rockmusik nun ein Spiegelbild der Ein­stellungen und Gefühle bestimmter Jugendlicher oder Jugendkulturen. So stellt Mitte der 60er Jahre der Soft Beat (später bezeichnet man diese Stilrichtung als Soft-Rock) eine emotionale Gegenbewegung zu den Auswüchsen der "Leistungsgesellschaft" dar. Die emotionale Seite eines Menschen, die in einer von ökonomischen Zwängen geprägten 'Wirtschaftswundergesellschaft" in den Hintergrund gedrückt wurde, kann sich in die­ser Musik ausleben. In Amerika vereint sich ein Teil der Jugend in der Hippiebewegung – flower power und love and peace sind Schlagworte der Bewegung – und reagiert auf seine Weise gegen die Gesellschaft. Allerdings sind in dieser Jugendkultur auch Tendenzen zur Flucht aus der Gesellschaft zu erkennen, insbesondere wenn man an die Entstehung der Drogenszene denkt.

Die Musik: Die gefühlsbetonte Seite Jugendlicher spiegelt sich im Soft-Beat und im Soft-Rock wider durch langsame Tempi, einer weichen Melodielinie und einem durch Synthesizer oder auch Streichern erzeugten sanften Klangteppich.

Hörbeispiel (Simon and Garfunkel: Bridge Over Troubled Water)

 

 

 

 

Die Rockmusik Ende der 60er Jahre muss man auf dem Hintergrund dieser Zeit sehen. Auf soziale und politi­sche Probleme reagieren verschiedene Gruppen Jugendlicher unterschiedlich. Insbesondere der sinnlose Vietnamkrieg, der auch vielen Jugendlichen das Leben kostete, stellt einen starken Einflussfaktor im Fühlen und Denken Jugendlicher dar. Die unterschiedlichen Einstellungen und die Handlungsmuster innerhalb der Jugendkulturen drücken sich auch in der Musik der Jugendlichen aus. Im Psychedelic-Rock spiegelt sich der Ausstieg aus der Gesellschaft durch Drogen wider. Man kann dieses Verhalten als Verantwortungslosigkeit oder Hilflosigkeit gegenüber der politischen Lage deuten.

Die Musik: Die Flucht in eine durch Drogen hervorgerufene Welt bekommt im Psychedelic-Rock eine Entsprechung, dem Ausbrechen aus der Realität entsprechen die Auflösung von melodischen und rhythmischen Strukturen und häufig eine gespentische Klangwelt.

Hörbeispiel (Pink Floyd: A Saucerful of Secrets)

 

 

 

 

Eine andere Haltung spiegelt sich im Polit-Rock wider. Dieser knüpft an den Folk-Rock und auch den Blues-Rock als Ausgangspunkt der Protest- und Friedensbewegung in Amerika an. Jugendliche nehmen Stellung zur Gesellschaft, üben Kritik und geben ihrem Protest zur sozialen und politischen Situation Ausdruck.

Die Musik: Der Polit-Rock verwendet eine Musik, die die kritischen und anklagenden Texte unterstützt.

Hörbeispiel (Frank Zappa: Hungry Freaks Daddy)

 

 

 

 

Andere Jugendliche schaffen sich eine eigene Lebenswelt, ihr Freiheitsdrang kommt im Hard-Rock zum Ausdruck. Das Lebensgefühl der Rocker zeigt der Kultfilm „Easy Rider“. Jugendliche schaffen sich in ihrer Freizeit eine eigene Lebenswelt. Die Stärke und Härte der Musik und die äußere Erscheinung der Rocker täuscht aber auch über die Schwäche dieser Jugendlichen in der Realität hinweg. Gesellschaftliche Probleme lösen sie so nicht.

Die Musik: Das Lebensgefühl der „starken“ Männer bringt der Hard-Rock mit rhythmischer Härte, verzerrten Gitarren und einer unbarmherzigen Lautstärke zum Ausdruck.

Hörbeispiel (Led Zeppelin: Royal Orleans)

 

 

 

 

Während bis zum Ende der 60er Jahre die Rockmusik als Musik von Jugendlichen für Jugendliche gesehen werden kann, macht sich nun Anfang der 70er Jahre der Einfluss der Unterhaltungsindustrie deutlich. Ihr Interesse ist es, Musik zu verkaufen und einen Gewinn zu erzielen. So verwenden die Richtungen Latin-Rock, Jazz-Rock und Classic-Rock zwar Stilelemente der Rockmusik, sind aber als eigenständige Rockstile weniger von Bedeutung. Man kann diese Stilmischungen eher als Versuch betrachten, weniger von Jugendlichen akzeptierte Musik für Jugendliche zugänglicher zu machen. Konsum-Rock oder Pop ist das deutlichste Beispiel für von der Musikindustrie für Jugendliche vorproduzierte Musik. Pop ist im engeren Sinne keine Musik von Jugendlichen, auch wenn sie von Jugendlichen gespielt wurde. Popmusik, die sich im Wesentli­chen kaum vom deutschsprachigen Schlager unterscheidet, ist bis heute die verbreitetste Musik unter Jugendlichen.

Die Musik: Die Popmusik, die einem großen Käuferkreis verständlich sein soll, muss wie der Schlager so gemacht sein, dass die Hörer möglichst rasch selbst mitsingen können. Dafür sorgen ein häufig wiederholter Refrain und eine sich in Teilen immer wiederholende Melodie. Damit die Stücke den Geschmack vieler treffen, bedient sich die Popmusik meist einzelner Stilmittel verschiedener Rockstile.

Hörbeispiel (Bay City Rollers: You Made Me Believe in Magic)

 

 

 

 

Auch unter jugendlichen Rockmusikern gab es den Versuch, an der klassischen Musik orientierte Rockkompositionen zu gestalten. So stellt der Art-Rock eine kunstvoll kom­ponierte und gespielte Rockmusik mit klassischen Qualitätsmerkmalen dar.

Die Musik: Der eher intellektuelle Art-Rock mischt Stilmittel aus der Klassik mit rockmusikalischen Elementen. In den unterschiedlichen Teilen innerhalb einer Rockkomposition finden sich Streichersoli oder auch ganze Sinfonieorchester, kunstvoller mehrstimmiger Gesang neben rockigen Gitarrensoli.

Hörbeispiel (Queen: The Miracle)

 

 

 

 

Mitte der 70er Jahre entstehen wieder echte Rockstile. Punk ist zunächst ein Aufschrei Jugendlicher, der durch soziale Miss­stände in England ausgelöst wird. Der Punk reduziert die Musik auf die einfachsten musi­kalischen Strukturen und kann als Protestschrei gehört werden. Allerdings mündet er in eine eher depressive Phase. Die Schlagworte „no future, Anarchy oder Frust“ sind wenig geeignet, soziale und individuelle Probleme anzugehen.

Die Musik: Dem Aufschrei in der Punkkultur entspricht der Schrei im Punk: Eine in´s Schreien übergehende Interpretation, einem dem Schrei entsprechenden Klangchaos, einer aggressiven Rhythmik und einer gewaltigen Lautstärke.

Hörbeispiel (Sex Pistols: God Save the Queen)

 

 

 

 

In den 80er Jahren entsteht der Rap in den problembeladenen Schwarzen-Ghettos der USA. Er verwendet das rhythmische Sprechen, um allerlei provozierende und kritische Botschaften auszusenden. Als Hip-Hop ist er in seiner kommerzialisierten Form weit verbreitet. Die musikalische Grundlage ist jedoch sehr reduziert.

Die Musik: Jugendliche der Schwarzen-Ghettos in den USA artikulieren ihren Frust in Worten. Somit ist der Rap in erster Linie rhythmisch gesprochene Sprache. Musikalisch kommen zunächst nur einfachste, sich wiederholende Begleitmuster hinzu. Mit zunehmender Kommerzialisierung des Rap werden eingängige, gesungene Refrains hinzugefügt und die Texte verlieren ihre provozierende Schärfe.

Hörbeispiel (KMC: Living in the Ghetto)

 

 

 

 

Der Techno spiegelt in den 90er Jahren das technische Zeitalter wider. Er ist Ausdruck eines immer stärker an den Möglichkeiten der Informationstechnik orientierten Lebens. Techno tritt typischerweise in zwei Gestalten auf. Dancefloor als billiges Wegwerfprodukt unserer Konsumgesellschaft, Rave als Fluchtvehikel aus eben dieser Gesellschaft mit einer unverkennbaren Nähe zur Droge.

Die Musik: Synthetisch erzeugte Klänge und leblose, starre Beats entsprechen einer zunehmend emotionslosen menschlichen Kommunikation unter Teilen Jugendlicher. Die dem starren Beat angepassten Bewegungsmuster, die brüllende Lautstärke und die Emotionslosigkeit der Musik in den einschlägigen Discos, dürften drogenähnliche Wirksamkeit entfalten.

Hörbeispiel L. T. J.: Let´s Rock the House

 

 

 

 

In den letzten 25 Jahren scheint sich in der Rockszene nichts grundlegend Neues herausgebildet zu haben. Der größte Anteil der Musik für Jugendliche ist die Popmusik, eine Musik, die von der Unterhaltungsindustrie angeboten wird. Musikalisch und inhaltlich Neues – der zunehmende Rechtsextremismus führt zu rechtsextremen Rockgruppen mit entsprechenden Inhalten – ist nicht zu erkennen.

 

Einen Überblick über die Merkmale der Rockstile finden wir auf der folgenden Seite. Die rot markierten Merkmale sind besonders charakteristisch für den jeweiligen Stil.

Stilmerkmale der Rockstile